Brief von Bischof Franz-Josef – vom Juli 2016

Bischof Franz Josef DBKLiebe Schwestern und Brüder in Ostfriesland!

In den Monaten Februar bis Juni dieses Jahres habe ich Ihr weitläufiges Dekanat besucht und in über 100 Terminen die Situation Ihrer Gemeinden in Augenschein genommen. Dabei habe ich in 15 Firmfeiern etwa 230 junge Leute im Alter von 15 bis 17 Jahren und einige Erwachsene gefirmt. Aus etwas zeitlichem Abstand möchte ich mit Ihnen jetzt einige Eindrücke teilen, die ich gewonnen habe.

Zunächst danke ich allen von Herzen, die an der Vorbereitung der Visitation und der Firmungen beteiligt waren. Das gilt vor allem den Katechetinnen und Katecheten, die ihren Glauben und ihre menschliche Erfahrung mit den jungen Leuten geteilt haben. Dabei habe ich mich sehr darüber gefreut, dass auch erst vor wenigen Jahren Gefirmte nun selbst Katecheten sind. Die Feiern waren durchweg in Inhalt und Form gut gestaltet.

Ein sehr beeindruckendes Erlebnis war der große Firmprojekttag des Dekanats in Aurich. Da haben über 200 junge Diaspora-Christen gespürt, dass Kirche ein größeres Netzwerk ist als die kleine Schar vor Ort. Manche mögen beklagen, dass diese so offenen und wachen Jugendlichen nach der Firmung so wenig in der Gemeinde, vor allem in den Gottesdiensten sichtbar sind. Und doch gibt es eine eng verbundene Schar von Engagierten als Ministranten, in der Jugendarbeit, beim Ostfriesischen Jugendgebet und in ihren sozialen Zusammenhängen. Es ist nicht umsonst, dass sie Kirche positiv erlebt haben und später unter den Verantwortlichen vor Ort wieder auftauchen. Darum bitte ich Sie alle, für die jungen Menschen so viele einladende Elemente in Gottesdienst und Pastoral zu entwickeln wie möglich. Gerade in der Diaspora spüren wir die Kraft der kleinen Zahl von Engagierten und Überzeugten.

Die Begegnungen mit den Gemeinden, den verschiedenen Einrichtungen und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat mich sehr ermutigt. Sie haben mir auch gezeigt, worauf es künftig auch in unseren noch mehr katholisch geprägten Gemeinden ankommt. Die wachsen in ihre eigene Diaspora hinein, weil die Bindung zum gemeindlichen Leben dort deutlich abnimmt.

Freilich bleiben auch große Sorgen, wie sich die Kirche in Ostfriesland schon in der nächsten Zukunft verändern wird. Von den 40 000 Katholiken in Ostfriesland feiern 5,8 Prozent den Sonntagsgottesdienst mit. Die Zahl der Taufen und der Eintritte in die Kirche (2015 waren es 186) wird von der Zahl der Gestorbenen und der aus der Kirche Ausgetretenen weit überrundet (2015: 651). Das heißt: Es fehlen allein nach einem Jahr 465 Personen. Und obwohl so manche Gemeinde eine ganze Reihe guter Initiativen hervorbringt und einen tatkräftigen Stamm von Engagierten hat, ist die Beteiligung am Gottesdienst gering.

Trotzdem möchte ich alle weiter ermutigen, sich auf das Leben an den vielfältigen pastoralen Orten einzulassen und das möglichst häufig mit der Liturgie, dem Teilen des Wortes Gottes und der Zuwendung zum Menschen zu verbinden. Letzteres gehört zu den wirklich positiven Merkmalen Ihrer Gemeinden: die enge Verknüpfung von Caritas und Pastoral, die enge Verbindung des Einsatzes für die vielfältig Armen, die Heimatsuchenden, die familiär Bedrängten mit dem Gottesdienst und der Verkündigung. Es gibt  Anpackerkreise ebenso wie Liturgiekreise. Der Umgang mit dem Wort Gottes und die Einübung ins Gebet sollten weiter vertieft und gepflegt werden.

Auch die Mitsorge der ostfriesischen Gemeinden für die zahlreichen Urlauber ist eine Besonderheit, die immer neu das Miteinander der Gemeindepastoral und der Seelsorge am Meer und unter den Touristen erfordert.

Alle Pfarreiengemeinschaften samt den Inseln haben ihr eigenes Gesicht, spezifische Talente und eigene Herausforderungen. Diese Vielfalt in der ostfriesischen Weite muss immer wieder die Nähe zu den Menschen suchen und darf die Vertiefung des Glaubens – besonders auch in ökumenischer Verantwortung – nicht vergessen.

Bei einer kleinen Reise zu alten Kirchen Ostfrieslands wie zum Kloster Ihlow konnte ich die reiche Glaubensgeschichte dieses Raumes erkennen, spürte aber gleichzeitig die hohe Verpflichtung, den christlichen Glauben im Norden unseres Bistums wachzuhalten. Ich bin davon überzeugt, dass der christliche Glaube in Ostfriesland eine gesegnete Zukunft hat, wo „schöpferische Minderheiten“ (Bischof Feige, Magdeburg) und „Biotope des Glaubens“ (Bischof Wanke, Erfurt) Keimzellen neuen Lebens und Knotenpunkte eines großen Netzwerkes werden, das Menschen in Bedrängnis und Not, in ihrem Suchen und Fragen, aber auch in ihrer Erholung und Lebensfreude trägt und hält. Ich sehe das Dekanat Ostfriesland als ein starkes Stück unseres Bistums, das uns alle aus einer zu gewohnten Selbstverständlichkeit des Christseins herausreißt. Und das ist not-wendig, weil die Kirche oft eher ein schwankendes Schiff in den Wellen der Zeit ist als ein Haus voll Glorie oder der Fels in der Brandung.

Liebe Schwestern und Brüder, halten Sie in Ihrem Leben die Sehnsucht nach dem Mehr wach, das uns Gott erahnen lässt. Es ist ja eine weit tiefere Sehnsucht als die Sehnsucht nach dem Meer, die in Ihrer Landschaft immer wieder aufkommt.

Dank und Gottes Segen Ihnen allen!

Dr. Franz-Josef Bode
Bischof von Osnabrück